Ramelow sorgt sich um Mitgliederrechte
Von Nico PoppDer Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat die Konkurrenz vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) für die Art und Weise des Parteiaufbaus kritisiert. »Hier öffnet sich eine Organisation, die das Parteienprivileg in Anspruch nimmt, gezielt nicht für ihre Anhänger«, sagte Ramelow am Sonnabend dem Stern mit Blick auf die engmaschige Kontrolle und Begrenzung der Aufnahme von Mitgliedern in die neue Partei. Entschieden werde »wie früher« in Berlin. Der BSW-Landesverband in Thüringen dürfe keine Mitglieder aufnehmen, aber eine Liste einreichen. »Das heißt, 40 Mitglieder entscheiden, bestimmen und wählen. Und alle anderen aus dem Wartestand können später dann mal ihre Mitgliedsrechte ausüben, wenn es nichts mehr zu verteilen gibt«, so der Ministerpräsident. Mit der auf eine Person zugeschnittenen Organisation führe das BSW die Parteiendemokratie »ad absurdum«. »Ist das eine Oligarchie oder gar ein Kalifat«, fragte Ramelow.
Die Landtagswahl in Thüringen am 1. September ist nicht mehr weit weg, und Ramelows Attacke auf das BSW hat einen Grund: Es könnte passieren, dass er mit seiner Partei, für die er erneut als Spitzenkandidat ins Rennen geht, nur noch als viertstärkste Kraft über die Ziellinie geht. Eine INSA-Umfrage sah Anfang Mai sowohl das BSW – das nach Angaben eines Sprechers aktuell nur 47 Mitglieder in Thüringen hat – als auch die Linkspartei bei jeweils 16 Prozent. Verglichen mit einer Umfrage dieses Instituts von Mitte März bedeutet das für das BSW ein Plus von drei, für Ramelows Partei aber ein Minus von zwei Prozentpunkten. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wäre das für Die Linke und Ramelow ein spektakulärer Absturz in der Wählergunst (bei der Landtagswahl 2019 war die Linkspartei mit 31 Prozent noch klar stärkste Partei), der die Aussicht, in Koalitionsverhandlungen nach der Wahl ein großes Rad drehen zu können, nicht eben verbessert.
Kurz vor Ramelow hatte am vergangenen Mittwoch der Thüringer Linke-Landesverband das BSW ins Visier genommen. In einem am 8. Mai verbreiteten Statement sprach sich die Kolandesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig gegen die von der CDU geforderte Wiedereinfühung der Wehrpflicht aus. An der »Kriegsrhetorik« der Union hatte Grosse-Röthig auszusetzen, dass diese »die Menschen nur immer weiter zu den Putin-Freunden von AfD und BSW« treibe. Zwei Sätze weiter war auch noch die Rede von »Desinformationskampagnen der Aggressoren und ihrer Verbündeten«.
Interessant an den Äußerungen ist nicht nur, dass Grosse-Röthig einfach ausblendet, dass kein anderer als Bodo Ramelow sich schon 2022 öffentlich für die Wehrpflicht ausgesprochen hat. Auch die Selbstverständlichkeit, mit der politpropagandistische Formeln der Ampelparteien und der Union – »Putin-Freunde«, die »Desinformation« betreiben und »Verbündete« der »Aggressoren« sind – übernommen werden, lässt, zusammen mit der Gleichsetzung von AfD und BSW, tief blicken.
BSW-Generalsekretär Christian Leye reagierte am Sonnabend mit einer beim Kurznachrichtendienst X verbreiteten Stellungnahme. Er fragte, ob die Menschen in Thüringen, die Waffenlieferungen an Kiew ablehnten, jetzt »Putin-Freunde« und »Kreml-Versteher« seien. So nämlich würden politische Meinungen »aus dem demokratischen Diskurs herausgedrängt«. »Und ehrlich gesagt, ihr macht da gerade mit«, so Leye an die Adresse seiner ehemaligen Parteifreunde. Das sei »ein Problem der Glaubwürdigkeit«, gerade für eine Partei, »die sich selber Frieden auf die Fahne schreibt«.
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Besonders perfid ist, lieber Bodo, dass Du mit Deinen Privatmeinungen zu Waffenexporten in Konfliktgebiete oder zur Reaktivierung feudalistischer Frondienste für angebliche »Verteidigung« jederzeit z. B. zu den Gründen, zur SPD oder zur CDU/CSU übertreten könntest, ohne uns als Linke weiter zu beschädigen. Du bist aktuell einziger Regierungschef auf Länderebene auf linkem Ticket, somit ist Deine Funktion repräsentativ, was von Deinen Positionen niemand sagen wird. Damit trägst Du aktiv dazu bei, unser vorläufig letzter MP gewesen zu sein. Nebenbei hätte Dein Übertritt zu einer Dir zuträglicheren Organisation den Vorteil, dass Du mein Genossen-Du dann nicht mehr ertragen müsstest. Ich böte Dir jedenfalls gerne das Sie an.